- Du bist im Paradies angekommen, doch es riecht in der leeren Wohnung, die du für die nächsten Wochen gemietet hast, nach Katzenpisse.
- Die Küche ist leer! Kein Herd, kein Topf, kein Teller. Nichts!
- Und wo bitte schön, sollen wir zu fünft schlafen, wenn nur ein Doppelbett im Raum steht?
Nach drei Tagen und Total über 30 Stunden reisen, nicht gerade das, was du dir wünschst, wenn du am momentan besten Surf-Spot ankommst.
Schon gar nicht mit drei Jugendlichen, die sich zum Glück nach viereinhalb Monaten Aufenthalt in den Philippinen schon an einiges gewöhnt haben.
Mindestens haben sie gesehen, dass die Menschen hier oft in noch viel Einfacheren und ungemütlicheren – für uns unbewohnbaren – Orten leben.
Ich rede bewusst weder von Häusern noch von Zimmern, weil man diese Behausungen wirklich zum Teil nicht so benennen kann.
Victoria’s Secret ist unsere erste Rettung!
Wir sprayen alles mit dem teuren Parfum von Lou, ein. Ich verspreche ihr, im Duty-free eine neue Flasche zu kaufen, denn für einmal bin ich froh, dass sie dieses stark duftende Wässerchen von zuhause mitgenommen hat.
Als zweites starte ich eine «Plastik-Action» und sammle vor unserem Haus und im angrenzenden Garten, einfach überall dort, wo ich von der Haustür aus hinsehen kann, Flaschen, Plastik und anderen Müll ein.
Einen ganzen 35l-Sack voll.
Wohlgemerkt, wir sind in einem Zimmer auf dem Gelände eines Resorts, vorne Richtung Meer hat es sechs Kubos (traditionelle, philippinische Strandhäuser), ein Restaurant und hinter uns weitere
Kubos mit einer Surfschule und einem weiteren Restaurant.
Nachdem ich aufgeräumt habe, fühle ich mich mindestens besser als zuvor.
Von wohlfühlen ist noch nicht die Rede!
Aber ich rede mir ein, dass ich das Haus ja noch wohnlich einrichten kann – es wurde uns versprochen, dass Gasherd, Reiskocher, Geschirr und Trinkwasser gebracht werden - und weitere Matratzen auch. Wir sind noch skeptisch, weil die Frauen wild miteinander gestikulieren und unklar ist, wer für was verantwortlich ist.
Also schauen wir erst mal, ob wir die Surfbretter bekommen, welche uns im Voraus versprochen wurden. Wenn wir nicht surfen können, dann brauchen wir weder Matratzen noch Küchenutensilien -dann gehen wir sowieso wieder weiter.
So weit sind wir aber noch nicht.
Ach ja und dann ist ja heute auch noch Pepes Geburtstag!
Sergio fährt erst mal mit dem Vermieter eine Viertelstunde ins nächste Dorf, um einen Geburtstagskuchen und eine SIM-Karte fürs Internet zu kaufen.
Aber nur den Kuchen hat er gefunden.
Wir sind trotzdem überglücklich, er ist fett mit Buttercreme bestrichen und schön dekoriert – einen solchen hat sich Pepe innigst zum Geburtstag gewünscht.
Ein neues Problem.
Wo bewahren wir in dieser unglaublichen Hitze unser eingekauftes Essen auf, wenn wir keinen Kühlschrank haben? Dann nützt uns auch das ganze Küchenmaterial nichts, weil wir dann nämlich im Restaurant essen, gehen müssen.
Fragen über Fragen, wir kommen irgendwie nicht an hier.
Für heute gehen wir jedenfalls in der Strandbar essen und bestellen hungrig für jeden ein Menu. Es ist sehr fein und wir sind heilfroh, dass wir Pepe damit ein weiteres kleines Geburtstags-Highlight bieten können.
Als wir zurückkommen, haben wir erst eine zusätzliche Matratze für die Kinder bekommen. Ja, wir wissen, dass auch eine vierköpfige philippinische Familie auf einer solchen Matratze schlafen kann, wir können es nicht und wollen es in dieser Hitze auch gar nicht lernen.
Uma und Sergio verziehen sich mit den Hängematten an den Strand. Lou hat sich schon hingelegt und schläft müde von dem intensiven Tag ein.
Auch für Pepe bekommen wir noch eine Matratze mit Leintuch. Doch das Leintuch lässt sich weder auf diese noch auf die andere Seite über die Matratze ziehen – es ist viel zu klein!
Ich gehe raus und hoffe, dass Pepe meinen Frust und Ärger nicht sehen kann, dass er sich einfach hinlegt und schläft.
Unkompliziert und ohne sich aufzuregen, macht er das und ich bin froh, als auch ich müde in meinem Bett einschlafe.
Früh aufstehen fällt uns leicht hier!
Die Sonne steht bereits morgens um 5 Uhr am Himmel und weckt uns jeden Tag freundlich.
Ich nutze die noch frische Morgenstunde für mein Yoga, denn später in der Hitze halte ich höchstens noch meine Arme horizontal ausgestreckt, um in den Achseln zu trocknen.
Heute sind wir extra früh aufgestanden, weil um 6.30 Uhr High-Tide und es dann richtig gut zum Surfen ist.
Wir sind bereit und mit drei Brettern am Warten.
Nach einer halben Stunde beschliessen wir drei, zu gehen, da Carmela mit den anderen beiden Brettern immer noch nicht - wie versprochen - aufgetaucht ist.
Sollen wir uns jetzt schon ärgern? Oder mit philippinischer Geduld warten?
Da wir hier im Paradies weder Internet noch Funkverbindung haben, müssen wir jemanden fragen, der uns hilft, bei Carmela anruft und nachfragt.
Wie immer, sind alle schon unterwegs und kommen gleich, nein, kein Problem, sie würden gleich da sein. 15 min später scheint das Paradies auf Erden (dank Carmela – nicht Eva, die hat es uns ja vergrämt) gerettet zu sein.
Wir sitzen nun alle mit einem passenden Surfbrett im Wasser in der Line-Up und sind erstmal überwältigt von der schönen Szenerie, den Wellen, der Insel und dem Strand vor uns. Unter uns scheint das Reef durch, das zum Glück tief genug liegt und uns sorgenlos darüber surfen lässt.
Pepe erwischt schon die erste Welle und jauchzt vor Freude.
Wir anderen sind noch unsicher, wohin wir uns bewegen sollen und vor allem welche Wellen wir packen können.
Nach einem Monat Surfpause brauchen wir erst mal wieder Zeit, uns an Ort und Brett zu gewöhnen.
Carmela ist aber auch da und gibt uns hilfreiche Tipps, ermutigt uns, noch etwas abzuwarten, da die Wellen nach der High-Tide noch besser werden.
Hier draussen ist das Paradies perfekt – sogar die frische Hundescheisse vor der Tür lässt sich so leichter ins Gebüsch hinter dem Haus werfen!
Später am Abend sitze ich doch mit einem Lächeln auf den Lippen vor dem Haus, betrachte die Sterne, die weit weg von irgendwelchen Grossstädten, wunderbar leuchten.
Ein paar Frösche hüpfen vorbei und die Katze, dessen Wohnung wir wohl bewohnen, streicht mir versöhnlich um die Beine.
Langsam schliesse ich Frieden mit diesem Ort und weiss jetzt schon, dass es in zwei Wochen wieder schwer wird, mich von den Jugendlichen, mit denen ich BeachVolley spiele, von der Frau am Tresen, der Küchencrew, dem Sohn, der den Gasherd installiert hat, den guten Seelen vom Resort, die uns alles, was gefehlt hat, besorgt haben und den netten Surfpeople, die uns im richtigen Moment zurufen, loszupaddeln, zu verabschieden.